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(Foto von Werner Fröhlich)

Material und Technik

Franz Grabmayr arbeitet vor allem mit breiten Pinseln, mit der Spachtel - und großen Mengen Farbe. In einer Besprechung in der Zeitschrift "Weltkunst" (Heft 5) seiner Ausstellung 1988 in der Galerie Gunzenhauser in München heißt es: "Grabmayrs Bilder fallen besonders durch ihre wild bewegte, ungeheuer pastose Maltechnik auf. Das sind Landschaftsreliefs aus Farbmaterie! Seine expansiven Gemälde führen van Goghs pastose, impulsive Tradition fort..." Wie ist Grabmayr zu dieser Malweise gekommen?

Grabmayr: "Die gekauften Ölfarben haben viel zu viel Öl drinnen. Die sind nur geeignet für die Pinselmalerei. Für mich muss die Farbe pastos sein, also fester. Wichtig ist, es muss viel Pigment drinnen sein, weil das Pigment ist ja die Leuchtkraft, und nicht zu viel Öl. Wenn zu viel Öl drin ist, führt das auch zu Runzeln und Nachdunkeln, Bräunen usw. Weil das Leinöl tritt im Trockenprozess an die Oberfläche und deshalb wird das Bild dann dunkler. Wichtig ist eine Balance. Es ist jahreszeitabhängig. Im Sommer, wenn ich draußen male und es ist heiß, da sind die Farben flüssig. Dann geb' ich mehr Pulver dazu, dann sind sie fester, aber dadurch magerer, wodurch sie wieder zum Springen neigen. Ich kaufe die Pigmente fertig in 25-Kilosäcken, in der Farbfabrik, chemisch rein, lichtecht. Dann kommen in einen Baueimer 5 Liter Leinöl hinein und dann, sagen wir, 2 Liter Standöl - das ist eingedicktes Leinöl, das ist wie Honig. Und dann geb' ich auch Eier dazu. Die Eier haben den Vorteil, dass die Farbe kürzer ist, buttriger. Ich nehme das ganze Ei, zum Beispiel 10 Eier in so einen Eimer. Wenn man die Farben so pastos macht und lange rührt, dann werden sie irgendwie zäh. Da muss man die Eier dazugeben. Das ist so ein bissl die Temperatechnik. Das ist eine ideale Kombination. Das hat mir der Akademie-Professor Gustav Hessing gesagt. Beim Hessing war ich Assistent. Deshalb hab' ich mir oft gedacht, dem Hessing müsst' man ein Ei aufs Grab legen. Die Ei-Temperatechnik hat es schon vor der Ölmalerei gegeben, bei Hubert und Jan van Eyck. Später haben sie die Ölmalerei eingeführt. Die haben verschiedene Öle verwendet z.B. Nussöl und Mohnöl. Bis man erkannt hat, dass Leinöl die idealsten Eigenschaften hat. Das Mohnöl, das trocknet viel länger. Das Leinöl trocknet so in 48 Stunden. Die Venezianer haben das dann übernommen. Der Tizian ist ja dann der Ölmaler geworden, der Tintoretto, der Veronese."

1969/70 hatte Franz Grabmayr ein Stipendium für einen Studienaufenthalt in Rom erhalten. Er geht aber nach Venedig. Sechs Monate lang kann er dort die alten Meister studieren: Tizian, Tintoretto, Veronese.

Grabmayer: "Ich bin in die Academia gegangen, in Venedig, und hab' die Bewilligung bekommen, Kopien zu machen. Ich hab ein großes Metallgerüst bekommen und hab' vom Tizian die oberen Partien gemalt und auch gezeichnet, zum Beispiel die Pieta vom Tizian. Das ist ein Bild, vier Meter hoch. Da hab ich Kopien gemacht, Ausschnitte. Und zwar deshalb die oberen Partien, weil da haben mir die Leut' nicht auf die Finger schauen können. Die Leut' sind unten herumgekrabbelt und ich war zwei Meter höher oben auf dem Gerüst. Vor allem farblich hab ich gelernt. Damals hatte ich die schönste Palette. Ich hab meine Farben selber gerieben. Da gibt's so einen Glasreiber. Das haben wir schon in der Akademie gelernt. Wir haben ja Farbchemie gehabt. Da haben wir die Farben selber gerieben und dann in die Tuben eingefüllt. Das war natürlich immer billiger. Und da hat man sie schon pastoser machen können. Mit einem Rucksack voller solcher Tuben bin ich auch nach Venedig runter. Den Rucksack hab' ich noch. Das ist der Rucksack von mein' Vater, vom Pfaffenberg. Ist schon ganz vergammelt."

Am 1. August 1970 wird der zweite Sohn Jakob geboren.

In diesem Zeitraum kommt es zu einer neuen Entwicklung in der Malerei Grabmayrs. Parallel zum damals einsetzenden Farbrausch bleibt er aber den tonigen Anfängen verbunden. Vor allem Bilder aus der Zeit zwischen 1986 und 93 gehören zu seinem schattigeren, manchmal düsteren, schwermütigen, erdgebundenen OEuvre - wie in der "Grünen Periode". Beispiele sind Brandstatt 86, Asche 87, Asche und Sand 1987, Abgelöscht 1987, Gekippter Wurzelstock 1987, Abend 88, Gelber Sand 89, Kastanienstamm im Winter 89, Krautscheuche 91, Brandblock 92. Gegengewichte zu seinen Farb-Eruptionen, Bilder der Stille - im Gegensatz zu Tanz und Dynamik.

Abgelöscht, 1987 Öl auf Leinwand, 103 x 100 cm
Franz Grabmayr mischt den Ölfarben auch Stroh, Sand oder Asche zu. In seinen Ölbildern malt er oft in vielen Farbschichten übereinander dick, pastos mit der Spachtel aufgetragen oder mit breiten Pinseln. Der Versuch, eine vielleicht sterile Flächigkeit aufzubrechen, Raum und Dynamik zu gewinnen, aus der Zwei- in eine Dreidimensionalität aufzubrechen?

Grabmayr: "Es waren natürlich auch internationale Tendenzen, dass man verschiedene Materialien dazumischt. Das haben verschiedene Maler immer wieder gemacht. Andererseits: Es sind einfach Kontraste auf der Leinwand, neben den Ölfarben. Wenn man da Sand hinein presst, das ist ein neuer Ton, es ist ein neues Material. Es ist einfach eine Erweiterung der Sprache, der Malsprache. Es ist einfach eine freiere Sprache."

Vor allem die Aschebilder, die mit den Feuerbildern eng zusammenhängen, haben etwas Magisches. Manchmal liegt auch die Assoziation mit einem Fetisch nahe.

Asche. Öl / Asche auf Leinwand, 1987, 100 x 200 cm
Grabmayr: "Es ist weniger ein Fetisch. Es ist einfach eine Materialsprache. Ich habe in meinem Atelier immer Koks-Asche. Das ist so ein herrliches Material, ein bissl ein kristalliner, brauner Ton. Das habe ich eingearbeitet. Wenn man 20 Jahre Öl malt, dann hat man Sehnsucht andere Materialien zu verwenden und hineinzuarbeiten. Aber ich hab' diese Technik natürlich auch international in vielen Bildern gesehen. Das hat mich inspiriert. Auch Braque hat Sand hineingearbeitet, zum Unterschied von reinfarbigen Bereichen. Es ist einfach eine Erweiterung der Ausdrucksmittel. Es hängt mit dem Material zusammen. Wie ich die Kornfelder gemalt hab', hätte ich nie Asche verwenden können. Da habe ich Stroh hineingearbeitet, in ein Kornmandl. Und in der Sandgrube habe ich Asche verwendet und Sand... Es hängt mit dem Motiv zusammen. In der Sandgrube lagen die angekohlten Wurzelstöcke. Man muss ja immer wieder etwas finden, was einen wahnsinnig begeistert. Ich brauche zuerst ein Erlebnis bevor ich anfang'!"

Grabmayr-Sohn Jakob: "Er war immer radikal, ob er jetzt farbige Bilder gemacht hat oder Aschenbilder. Es war dieselbe Radikalität. Das waren keine Phasen, das ist parallel entstanden."

Öl auf Leinwand, 1978, 145 x 100 cm
Die Kornmandel sind ein typisches Motiv Grabmayrs, wie Sandgrube oder Kampfelsen über viele Jahre treue Begleiter des Malers. Plastisch, magisch, majestätisch setzt er sie ins Bild.

Rabisch-Schlucht Öl auf Leinwand, 1994,93 x 116 cm
Im Sommer 1994 malt Franz Grabmayr endlich wieder in der geliebten Heimat, in Kärnten. Aber nur ein einziges Motiv findet Gnade vor seinem zupackenden Blick: die wild herabstürzenden Wassermassen in der Rabisch-Schlucht, die der Mallnitzbach in den Pass nördlich von Obervellach schneidet. Ein feiner Gischtschleier macht die Felsen äußerst glitschig. Bei einem Ausrutscher gäbe es keine Rettung aus dem tobenden Element. Aber weder die ständige Gefahr noch der weite und mühselige An- und Abtransport von Material und Bildern schrecken den Maler. In dieser Extremsituation fühlt er sich wohl.
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