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Farbe - Licht - Schatten

Ende der 60er Jahre werden Grabmayrs Bilder plötzlich ganz leuchtend: reines Gelb, Rot, kräftiges Blau. Wie kam es zu dieser Entwicklung?. Das Licht ist bei Grabmayr untrennbar mit der Farbe verbunden. Es entsteht durch die Farben. Seine Bilder beginnen über die Farben zu leuchten, sozusagen von innen heraus. Der holländische Maler Raymond Both bezeichnet Grabmayr als "Alchimisten", der mit "selbstgemischten Farbmassen" arbeitet. Grabmayr mache mit seinem "Getriebensein als Katalysator die Energie, die Landschaften, Körpern und Steinformationen innewohnt, sichtbar und spürbar, ja fast körperlich fühlbar".

War der Übergang zu Licht und Farbigkeit ein Sprung oder war ein fließender Übergang?

Grabmayr: "Das hat bei mir alles Gründe. Ich hab dann von der grünen Malerei genug gehabt. Dann hab ich gesagt: Ich will eigentlich eine ganze Palette: gelb, rot, blau. Und ich muß mir ein anderes Motiv suchen. Und dann ist mir eine Rembrandt-Zeichnung in die Hände gekommen. Da hat der Rembrandt so eine Landschaft gezeichnet, da geht ein Weg so schön in eine Landschaft hinein, fast auch in eine Sandgrube. Ich habe diese Zeichnung gesehen und da hab' ich gewußt, es gibt ja bei mir in der Nähe eine Sandgrube. Da geht auch der Weg so hinein. Jetzt bin ich in diese Sandgrube gegangen und hab', das war im 66er-Jahr, angefangen mit der Sandgrube. Da hab ich zuerst, so wie bei den Grünvariationen, die Erd-, die Ocker-, die Braunvariationen gemalt. Das sind ganz große Bilder. Ich hab mich am Anfang mit den Naturtönen auseinandergesetzt. Das hätte ich nicht können, da 'einekleschen'." Einekleschen: ein fast unübersetzbarer Kärntner Ausdruck für drauflos hauen.

Sandgrube 1966, Öl auf Leinwand, 145 x 200 cm
Franz Grabmayr hat dann fünf Jahre in dieser Sandgrube gemalt, jedes Jahr. Alle anderen Motive haben ihn in dieser Zeit nicht so gepackt wie die Sandgrube. Das Motiv Sandgrube wird Franz Grabmayr bis heute nicht wieder loslassen. Immer entwickelt es Grabmayr weiter, noch einmal sehr intensiv in den späten 80er Jahren. Was hat Franz Grabmayr außer diesem fundamentalen Natur- und Landschaftserlebnissen in den 60er Jahren noch beeinflusst?

Grabmayr: "Ich hab' natürlich immer wieder Kunstbücher studiert, auch die Wilden, die Fauves, aus Frankreich und aus Dresden, die Expressionisten der "Brücke" - also Kirchner etwa oder Schmidt-Rottluff - und die Künstler des "Blauen Reiter". In Frankreich waren es vor allem Derain, aber der wildeste war Maurice Vlaminck. Und auf der anderen Seite Kirchner und Schmidt-Rottluff, die aus der geistigen Erkenntnis heraus, aus der Überwindung des Impressionismus, sehr starke Farben eingesetzt haben. Und natürlich hat das für mich eine Rolle gespielt, dass ich solche Bilder gesehen hab' und studiert hab'. Das ist natürlich mehr Spannung und Steigerung. Und dann hab ich eben auch angefangen, in meinen Sandgruben die Violetts drinnen zu sehen und auf den Höhen die Gelbs zu sehen. So hab ich dann angefangen die Sandgruben zu steigern."

Rückblende: Anlässlich des Herbstsalons 1905 in Paris wurde eine Gruppe von Malern wegen der Verwendung von grellen Farben in der Presse als "Fauves" - wilde Tiere - bezeichnet. Wichtige Vertreter sind Henri Matisse, A. Marquet, C. Camoin, H. Manguin, A. Derain, M. de Vlaminck, O. Friez, R. Dufy, G. Braque, K. van Dongen. Ernst Ludwig Kirchner (6.5.1880 - 15.6.1938, Selbstmord) begann 1911, nach seiner Übersiedlung nach Berlin, mit der expressiven Malerei. Karl Schmidt-Rottluff (1.12.1884 - 10.8.1976) wandte sich nach dem Architekturstudium autodidaktisch der Malerei zu. Er hatte 1941-45 Malverbot. 1947 wurde er Professor an der Berliner Akademie und entwickelte eine elementare Vereinfachung der Formen, kraftvolle Konturen und leuchtende, plakathafte Farbflächen.

Grabmayr: "Wie ich die Sandgruben tonig gemalt hab' - die Ockertöne, die Brauntöne - hab' ich auch schon das gleiche Licht gehabt wie später. Am Licht hat sich nichts geändert. Nur es hat sich bei mir geistig oder schöpferisch oder empfindungsmäßig etwas verändert. Es war natürlich schon die Bewusstheit: Ich will die Farben, so wie man sie auf der Palette hat, die reinen Farben: Gelb, Rot, Orange, Blau. Das hab' ich ja vor mir gehabt. Das war die Überlegung. Ich will versuchen, diese starke Farbigkeit, die man auf der Palette hat, mit der Natur, die ich sehe, in einen Zusammenhang zu bringen. Das heißt, die tiefen Mulden in der Sandgrube sind das Violette, die Höhen sind dann Gelb, die Zwischentöne rot. Hinten hab ich das Blau. Ich hab also versucht, die reinen Farben mit der Landschaft in Einklang zu bringen. Aber die Landschaft in einer gesteigerten Farbigkeit, was natürlich auch andere gemacht haben. Schmidt-Rottluff hat eine gelbe Hausfassade, ein rotes Dach, einen blauen Berg. Das sind ganz bewusste geistige Überlegungen, Setzungen, Entscheidungen."

Rote Sandgrube, 1986, Öl auf Leinwand, 132 x 146 cm
Zu Allerheiligen 1972 muss Franz Grabmayr sein Domizil im Schloss räumen. Es wird umgebaut und beherbergt danach ein Freimaurer-Museum und ein Hotel. Grabmayr zieht in einen leerstehenden Bauernhof um, in Oberstrahlbach nahe Zwettl. Es ist ein Vierkanter mit Innenhof. Hinter der Scheune öffnet sich die Landschaft einem gewaltigen Westblick über die Felder. Weit im Süden zur Donau abfallende Hügel.

Dort, in einem alten Bauernhof, findet er die Atmosphäre, das Fluidum, das Ambiente, das er für seine Arbeit braucht. Die großen Räume auch, Licht und Schatten. Er kehrt zurück zu seinen Wurzeln. Seine Frau Ingrid: "Das Haus ist eine Erinnerung an seine Kindheit. Es ist etwas heruntergekommen. Täglich Wasser und Holz tragen, Öfen heizen. Plumpsklo im Hof, das Atelier im ehemaligen Kuhstall. Diese primitive Ursprünglichkeit gibt ihm Kraft. Eine ordentliche Wohnung lähmt ihn nur. 21 Jahre - Sommer wie Winter - wird nichts geändert. Beim Abschied 1993 wirken die Lebensumstände wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit."

Kampfelsen, 1976, Öl auf Leinwand, 96 x 116 cm
Neben der Sandgrube erscheint ein neues Motiv: die Felsen im Kamp. Das sprühende, bewegte Element Wasser im Kontrast zum ruhenden Element Stein. Interessant, dass in Grabmayrs Malerei dann oft das Wasser das ruhende und der Stein das bewegte Element wird.
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